Ihrem Opa hätte das gefallen. „Schade, dass er es nicht mehr erleben kann“, sagt Michael Kohner. Mit seinem Bruder Martin bereitet der 35-Jährige gerade den Road-Trip seines Lebens vor. Beide wollen im Juni auf große Abenteuerreise gehen – einmal um die Ostsee, durch neun Länder bis zum Nordkap. Mit dem alten türkisblauen VW Golf ihres Großvaters wollen sie die Charity-Rallye „Baltic Sea Circle 2022“ mitfahren, in 16 Tagen rund 7500 Kilometer zurücklegen. Und das alles für den guten Zweck. In Stavenhagen basteln sie jetzt jede freie Minute an dem Auto. Auf die Rallye hatte sie ein Ex-Kollege von Michael bereits vor sieben Jahren gebracht, der die Tour schon mal mitgemacht hatte. Doch scheiterte es damals an einem Auto. Eine Teilnahmebedingung sei nämlich, dass der Wagen älter als 20 Jahre sein muss.
„Unser Opa hat seinen Golf noch mit weit über 90 Jahren gefahren.“ Erst als dieser aus Altersgründen das Auto in der Garage stehen lassen musste, war die Idee 2020 neu entflammt. Der Opa fand das okay, freute sich. Eigentlich hatten sich die Brüder schon im vergangenen Jahr angemeldet, doch wegen Corona war die Tour ausgefallen. Dann starb mit 96 Jahren ihr Opa. Er wäre sicher stolz gewesen. Nun wollen sie ihm diese Abenteuerreise widmen. Start ist am 18. Juni in Hamburg, wo beide inzwischen leben und arbeiten. Sie wollen die Route nehmen über Flensburg, Kopenhagen, über den Öresund nach Malmö, durch Schweden, dann Norwegen, zu den Lofoten, bis zum Nordkap, dann in Finnland nach Helsinki, nach Tallinn in Estland, durch Lettland, Polen und zurück nach Hamburg. Weil sie im Moment nicht über Kaliningrad und Weißrussland reisen können, müssen sie für diese Lücke einen anderen Weg finden.
Der alte Golf hat kein GPS, kein Navi, keine Servolenkung, auch dürfen sie keine Autobahnen nutzen. Nur mit Karte und Kompass geht es auf die Tour. In einem Rennbuch erhalten sie Aufgaben, welche Orte sie anfahren müssen. Alles werde dokumentiert und mit Fotos – ganz traditionell – ins Heft eingeklebt. Wer am Ende die meisten Punkte hat, gewinnt die Rallye – also nicht unbedingt, wer als Erster wieder in Hamburg ankommt. Vorab können auch schon Punkte gesammelt werden.
Ein bisschen wandeln sie dabei auch auf den Spuren ihrer Großeltern. Ihr Opa war im Baltikum in Kriegsgefangenschaft, ihre Oma indes sei aus Königsberg geflohen, sollte 1945 mit der „Wilhelm Gustloff“ in Sicherheit gebracht werden, aber sie habe das Schiff verpasst. „Was mit der Gustloff passiert ist, wissen wir aus der Geschichte“, sagt Michael. Die Brüder hatten immer eine enge Beziehung zu den Großeltern. Bei ihnen waren sie oft in der Basepohler Straße. Wenn sie aus der Grundschule nebenan kamen, brauchten sie nur durch den Garten. „Unser Opa war wie ein Kumpel für uns“, sagt Martin (38). „Er hat uns immer unterstützt.“
Seinen Golf, Baujahr 1990, sein erstes Westauto, habe er gehegt und gepflegt. Nur 68 895 Kilometer ist Hans-Jürgen Kohner in drei Jahrzehnten damit gefahren. Im Inneren liegen drei Schichten Fußmatten, im Kofferraum Teppich. Er war sparsam und genügsam. „Dabei hätte er sich gut ein neues Auto leisten können“, meint Michael. Weil der Wagen nun eine Weile in der Garage stand, war er nicht gleich angesprungen und musste in die Werkstatt. Ansonsten machen die Brüder das meiste selbst. Sie bauen die Rückbank aus, damit sie während der Rallye im Auto übernachten können. Haben auch schon ein aufklappbares Dachzelt besorgt, das sie noch installieren müssen. Ein neues Radio brauchen sie noch sowie Ersatzteile und Campingausrüstung. Ein Freund, der als Tüv-Prüfer bei der Dekra arbeitet, wolle ihnen noch ein paar Kniffe als Basis zeigen, damit sie unterwegs kleinere Reparaturen selbst ausführen können. Sie hoffen aber nicht, dass sie ernsthaft liegen bleiben. Mit den anderen Teams seien sie untereinander vernetzt, sodass sie da immer auf Hilfe bauen können.
Bei dieser Rallye gehe es aber nicht nur um ein Abenteuer, sondern auch um einen guten Zweck. Jedes Team sammelt für ein Charity-Projekt seiner Wahl. Martin und Michael Kohner wollen Kindern helfen. Michael hat selbst einen zweijährigen Sohn und wird im September ein zweites Mal Vater. Deshalb wollen sie die Stiftung Kinder-Hospiz Sternenbrücke in Hamburg unterstützen, die Kinder und Familien auf dem langen Krankheitsweg begleiten.
An ihre Kindheit in Stavenhagen erinnern sich die beiden gern. Bis zur 10. Klasse sind sie hier zur Schule gegangen, haben das Abitur am Gymnasium in Malchin gemacht. Doch zog es beide nach Hamburg, Martin 2005, Michael 2007. Der Ältere war erst Offizier bei der Bundeswehr, hat dann Betriebswirtschaftslehre (BWL) studiert und leitet jetzt die Digitalisierung in der Zentrale von Edeka. Michael arbeitet in einer Software-Firma im Vertrieb.
Mehr Informationen zu ihren Charity-Projekt für die Einrichtung Sternenbrücke sowie Spendenlink: https://sternenbruecke.de/home, https://www.betterplace.org/de/fundraising-events/41276-bsc22-kohner-brothers-kinder-hospiz-sternenbruecke?utm_campaign=user_share&utm_medium=fepp_stats&utm_source=Link, Ihr Instagramkanal (@kohner.brothers): https://www.instagram.com/kohner.brothers/
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